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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 10.06.2004
Aktenzeichen: 14 U 136/03
Rechtsgebiete: BGB, StVG
Vorschriften:
BGB § 823 | |
StVG § 7 a.F. | |
StVG § 17 a.F. |
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 10. Juni 2004
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels sowie der Anschlussberufung - das am 17. Juni 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 14.303,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 28. Dezember 1999 bis zum 30. April 2000 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2000 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen der Kläger 2/5 und die Beklagten 3/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 20.000 EUR.
Gründe:
(abgekürzt gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO)
Die Berufung des Klägers erweist sich zum größeren Teil als begründet, die Anschlussberufung der Beklagten hingegen als unbegründet.
Der Kläger kann von den Beklagten aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 16. April 1999 bei E####### Ersatz von 50 % (und nicht lediglich, wie vom Landgericht angenommen, 20 %) der ihm entstandenen materiellen Schäden beanspruchen. Über die vom Landgericht zuerkannten Positionen hinaus steht ihm zudem ein angemessenes Schmerzensgeld für die von ihm erlittenen Verletzungen zu, weil der Unfall durch den Beklagten zu 2 nach dem Ergebnis der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme mitverschuldet worden ist und die Beklagten demzufolge nicht nur für die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 2 geführten Pkw haften. Außerdem zählt zu den erstattungsfähigen Schadenspositionen des Klägers auch der von ihm geltend gemachte Verdienstausfall.
1. Die Beklagten haben hinsichtlich des Zustandekommens des Verkehrsunfalles nicht nur für die vom Fahrzeug des Beklagten zu 2 ausgehende Betriebsgefahr zu haften, sondern auch wegen eines dem Beklagten zu 2 anzulastenden Verschuldens. Dies rechtfertigt - angesichts des nicht unerheblichen Mitverschuldens des Klägers selber - eine Haftungsquote von 50 % für beide Unfallbeteiligte.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durch Vernehmung der Zeugen M#######, B####### und G####### durchgeführten Beweisaufnahme ist nämlich davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2 die vom Kläger befahrene Fahrspur nicht lediglich deswegen mit seinem Pkw teilweise blockiert hat, weil er selber diese Fahrspur (aus einer untergeordneten und wartepflichtigen Zufahrt kommend) befahren wollte und sich dabei vorsichtig in den Fahrbahnraum der Landesstraße 422 hineingetastet hat. Vielmehr hat die vom Senat hinsichtlich dieses Punktes ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass der Beklagte zu 2 in Wirklichkeit nach rechts abzubiegen beabsichtigte und die vom Kläger befahrene Gegenfahrbahn (unnötigerweise) deswegen teilweise in Anspruch nahm, weil er angesichts des Zuschnittes der von ihm befahrenen Ausfahrt anderenfalls nicht scharf genug nach rechts abbiegen konnte. Für ein solches Abbiegen nach rechts hätte ihm aber eine andere, günstiger ausgerichtete Ausfahrt zur Verfügung gestanden, bei deren Nutzung er den Verkehr auf der Gegenfahrbahn nicht beeinträchtigt hätte. Angesichts dessen vermag der Senat, anders als das Landgericht, nicht davon auszugehen, dass sich der Beklagte zu 2 verkehrsgerecht verhalten und allenfalls für die Betriebsgefahr des von ihm geführten Fahrzeuges zu haften hat.
Gegen die Behauptung der Beklagten, der Beklagte zu 2 habe von Beginn an nach links abbiegen wollen (der das Landgericht gefolgt ist), spricht insbesondere die Tatsache, dass der von ihm geführte Pkw zum Zeitpunkt des Sturzes des Klägers mehr oder weniger quer auf der Fahrbahn der L 422 gestanden hat. Dies ergibt sich nicht nur aus der Aussage des Zeugen B#######, sondern insbesondere auch aus dem Protokoll, das der Zeuge G####### als den Unfall aufnehmender Polizeibeamter vor Ort gefertigt hat (vgl. Ablichtungen aus dem polizeilichen Unfallvorgang in Anlage zu den Akten). Dass dieses von ihm aufgesetzte Protokoll seinen seinerzeitigen Feststellungen entsprochen hat, hat der Zeuge G####### in seiner Vernehmung vor dem Senat in der letzten mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Zeuge G####### wusste sich darüber hinaus daran zu erinnern, dass der PkwFahrer, also der Beklagte zu 2, eine ungewöhnliche Fahrweise an den Tag gelegt habe. Dies erklärt sich daraus, dass die Saupark-Ausfahrt, wie aus der Skizze in der Unfallanzeige zu erkennen ist, sich zur L 422 hin in beide Richtungen gabelt: Die beiden Enden der Ausfahrt münden auf die L 422 im Bereich einer Kurve, die (aus Richtung der Ausfahrt gesehen) rechte Ausfahrt ist für den Verkehr in Richtung C####### gedacht, die linke für denjenigen in Richtung E#######.
Hätte der Beklagte zu 2 dagegen, wie er selber behauptet, tatsächlich nach links fahren wollen, so hätte es nahe gelegen, die durch die linke Ausfahrt vorgegebene Fahrtrichtung auszunutzen um schräg sogleich in die vorgesehene Fahrtrichtung auf die L 422 hinauffahren zu können. Dies hätte nicht nur dem vorgegebenen Fahrverlauf entsprochen, sondern die zusätzliche Sicherheit geboten, wegen des schon in Fahrtrichtung der Landesstraße erfolgenden Auffahrens wesentlich zügiger beschleunigen zu können, um den Verkehr auf dieser vorfahrtsberechtigten Straße möglichst wenig zu behindern. Die Tatsache, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 2 im Bereich dieser linken Ausfahrt dagegen nicht etwa schräg im Verlauf der vorgegebenen Fahrtrichtung stand, sondern (was im Prinzip alle Zeugen bestätigt haben) mehr oder weniger quer zur Fahrtrichtung, spricht - entgegen der Bekundung der Zeugin M####### - dafür, dass der Beklagte zu 2 (sei es aus Unschlüssigkeit, sei es aus Unkenntnis) die linke, also "falsche" Ausfahrt nutzen wollte, um gleichwohl nach rechts abzubiegen. Dem entspricht auch die Aufnahme des Zeugen G####### in dem Unfallprotokoll, wonach der Beklagte zu 2 ausdrücklich selber angegeben habe, das Gelände zuerst nach links verlassen zu haben, sich an der Landesstraße dann jedoch umentschieden zu haben.
Jedenfalls aber vermag der Senat angesichts dieser Unklarheiten nicht davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2 tatsächlich verkehrsgerecht in den Bereich der ihm gegenüber vorfahrtsberechtigten Landesstraße hineingefahren ist, sodass zudem der Anschein für sein Verschulden (als Wartepflichtiger) spricht.
Der dadurch begründeten Haftung steht jedoch eine Mithaftung des Klägers selber gegenüber, die sich nicht nur auf einen Anteil von 25 % für die Betriebsgefahr des von ihm geführten Motorrades beschränkt, wie der Kläger selbst meint. Vielmehr ist dem Kläger - ungeachtet des Verschuldens des Beklagten zu 2 - auf jeden Fall anzulasten, dass er offensichtlich nicht auf Sicht und mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist, weil es ihm nicht geglückt ist, dem in der Kurve plötzlich auftauchenden Hindernis, hier dem Pkw des Beklagten zu 2, durch Anhalten seines Motorrades oder zumindest Ausweichen zu begegnen (so wie es dem vor ihm fahrenden Zeugen B####### möglich war). Darüber hinaus ist der Kläger, wie er selber einräumt, nicht etwa, wie es die Straßenverkehrsordnung erfordert (§ 2 Abs. 2 StVO) ganz rechts gefahren, sondern seitlich versetzt zur Mitte hin hinter dem Zeugen B#######. Dabei kann sich der Kläger auch nicht auf Empfehlungen eines Sicherheitstrainings berufen. Zwar mag es auf gerader Strecke die Sicherheit erhöhen, hinter einem weiteren Motorrad versetzt zu fahren, weil die Sicht nach vorne dann verbessert ist. Dies gilt beim Durchfahren einer Linkskurve aber ersichtlich nicht, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Außerdem soll durch ein derartiges versetztes Fahren offenbar die zuvor selbst gesetzte Gefahrenquelle eines zu geringen Sicherheitsabstandes zu dem vorausfahrenden Motorrad kompensiert werden, was der oben zitierten Vorschrift gerade nicht entspricht.
Darüber hinaus ist dem Kläger auch vorzuwerfen, dass die von ihm gewählte Gefahrenreaktion eines "Absteigens" vom noch fahrenden Motorrad ersichtlich nicht die richtige war, wie das Verhalten des Zeugen B####### vor ihm gezeigt hat, dem es nämlich gelungen ist, dem erkennbar bereits stehenden Pkw des Beklagten zu 2 nach rechts auszuweichen. Darüber hinaus, so der Zeuge B####### weiter, hätte er sogar wohl noch die Möglichkeit gehabt, vor dem Pkw sein Motorrad anzuhalten.
Angesichts der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensmomente erscheint dem Senat eine hälftige Schadensteilung gerechtfertigt.
2. Demzufolge steht dem Kläger konsequenterweise ein Schmerzensgeld zu. Angesichts der von ihm erlittenen erheblichen Verletzungen (Rippenserienfraktur links mit Hämato und Pneumothorax, offene Luxation des Daumengrundgelenks mit ulnarer Seitenbandruptur) und dem insoweit zu berücksichtigenden erheblichen Mitverschulden des Klägers hält der Senat - auch unter Berücksichtigung vergleichbarer Rechtsprechung - ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 EUR für angemessen.
3. Darüber hinaus kann der Kläger Ersatz der ihm zustehenden materiellen Ansprüche nach Maßgabe der obigen Quote (50 %) beanspruchen.
a) Dies gilt zunächst für den Haushaltsführungsschaden. Dabei ist allerdings als Berechnungsgrundlage nicht der vom Kläger selbst angesetzte Betrag von 9.015,26 DM (4.609,43 EUR) heranzuziehen, sondern, wie vom Landgericht zutreffend angenommen, nur ein Ausgangsbetrag von 887,09 DM. Auf die überzeugenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils unter B. b) (Bl. 187 d. A.) wird verwiesen. Der Berufungseinwand des Klägers, aus der Bescheinigung des Mediziners T####### (gemeint ist offenbar Bl. 11 d. A.) ergebe sich eine weitergehende Beeinträchtigung des Klägers hinsichtlich seiner Haushaltsführungstätigkeit, ist unbehelflich. Zum einen ist die vom Kläger zitierte Bescheinigung ausgesprochen wenig aussagekräftig, zum anderen kann eine prozentuale Einschränkung der Erwerbstätigkeit nicht ohne weiteres für den Haushaltsführungsschaden übernommen werden. Abzustellen ist vielmehr auf diejenigen Tätigkeiten, an denen der Geschädigte aufgrund der Verletzung konkret verhindert gewesen ist. Hierzu aber hat sich die Kammer nach der sorgfältig durchgeführten Beweisaufnahme gerade keine hinreichende Gewissheit verschaffen können.
Demzufolge kann der Kläger hinsichtlich des vom Landgericht zutreffend festgestellten Haushaltsführungsschadens von insgesamt 887,90 DM (453,56 EUR) 50 %, mithin 226,78 EUR beanspruchen.
b) Hinsichtlich der Berechnungsposten der Kosten der Selbstbeteiligung, der unfallbedingten Kostenpauschale, des Bekleidungsschadens und der Fahrtkosten ist von dem vom Landgericht jeweils zugrunde gelegten Betrag auszugehen, von dem der Kläger jedoch jeweils 50 % und nicht lediglich 20 % beanspruchen kann, weshalb ihm weitere Beträge in Höhe von 255,65 EUR, 12,78 EUR, 710,70 EUR und 30,06 EUR zustehen.
c) Darüber hinaus steht dem Kläger auch der von ihm geltend gemachte Verdienstausfallschaden zu. Die für die Ermittlung der Schadenshöhe erforderlichen Rechengrößen (Durchschnittsverdienst über einen signifikanten Zeitraum, hier drei Jahre) hat der Kläger dargelegt und mit Hilfe der entsprechenden Steuerbescheide auch belegt. Danach ist von einem Verdienstausfall in Höhe von insgesamt 27.645,15 DM (14.134,74 EUR), wie vom Kläger berechnet, auszugehen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Von diesem Betrag kann der Kläger ebenfalls 50 %, also weitere 7.067,37 EUR beanspruchen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts muss sich der Kläger insoweit nicht etwa das von ihm erhaltene Tagegeld seiner privaten Krankenversicherung - im Wege des Vorteilsausgleichs - anrechnen lassen, denn diese vom Kläger abgeschlossene Versicherung soll nicht der Entlastung etwaiger Schädiger, sondern ihm selbst dienen. Soweit das Landgericht hinsichtlich dieser Position die Aktivlegitimation des Klägers nicht für nachgewiesen angesehen hat, weil unklar geblieben sei, ob es sich bei dem Versicherungsverhältnis nicht möglicherweise um eine Schadensversicherung gehandelt habe (bei der, in Abgrenzung zur sog. Summenversicherung, Ansprüche auf den Versicherer übergehen, vgl. BGH, MDR 2001, 1352 f.), hat der Kläger spätestens mit Vorlage der Bescheinigung seiner Versicherung vom 18. Juli 2003 (Bl. 275 d. A.) dies ausgeräumt. Die Vorlage dieser Bescheinigung ist auch nicht etwa gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Bereits in erster Instanz hat der Kläger auf entsprechende Aufforderung des Landgerichts hin (Bl. 54 d. A.) die erforderten Unterlagen vorgelegt (Bl. 69 und 70 d. A.). Dass aus dem damals vorgelegten Versicherungsschein möglicherweise zumindest nicht ausdrücklich hervorgegangen ist, dass es sich bei der abgeschlossenen Versicherung nicht um eine Schadensversicherung handelt, ist schon deswegen unschädlich, weil das Landgericht auf ein solches Bedenken jedenfalls nicht mehr hingewiesen hat. Darüber hinaus wäre es ohnehin Aufgabe der Beklagten gewesen, die Voraussetzungen einer von ihnen behaupteten und für sie günstigen Vorteilsausgleichung darzulegen und zu beweisen, zumal davon auszugehen sein dürfte, dass ihnen anhand der genauen Tarifbezeichnungen des Versicherungsscheines die rechtliche Einordnung möglich gewesen ist.
4. Durch Addition der o. g. materiellen Schadenspositionen sowie des Schmerzensgeldes ergibt sich der dem Kläger zustehende Betrag. Hinsichtlich dieser Summe hat sein Rechtsmittel Erfolg, hinsichtlich der weitergehend geltend gemachten Ansprüche war es hingegen zurückzuweisen, ebenso wie die auf gänzliche Klagabweisung gerichtete Anschlussberufung der Beklagten.
5. Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat mit Blick auf § 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.
Ende der Entscheidung
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